Zum Hintergrund: Die revolutionären Umbrüche von 1848/49 und deren wirtschaftliche und sozialen Nachwirkungen in den Folgejahren führten, verstärkt durch Fehlernten, zu einer Verelendung und Niedergang insbesondere des Webereihandwerks, das einst zum Wohlstand des Ortes beitrug indem sich die Weber etwa an der Finanzierung des Altars in der Kirche beteiligten. Die betroffenen Handwerker und deren oft vielköpfige Familien wurden an den sozialen Rand gedrängt und mussten um ihre Existenz ringen. Um zu überleben kam es auch zu Diebstahl und Wilderei. Viele der Verarmten wurden diffamiert, denunziert und kriminalisiert. Als Aufständische wurden sie schließlich 1852 von Rudolstädter Soldaten gefangen genommen, auf Schiffe verfrachtet und nach Brasilien gleichsam als Leibeigene auf Kaffeeplantagen verkauft.
Als Kaffeepflücker bauten sich die Familien im Süden Brasiliens eine neue Existenz auf. Bis heute sprechen sie den Böhlener Dialekt, in Brasilien als „Kaffeepflückerisch“ bezeichnet, vergaßen aber über die Jahrzehnte die eigene Herkunft. Sie wussten um ihre Abstammung aus Deutschland, wussten aber nicht, von wo genau.
2002 reisten Lange und Schneider erstmals nach Brasilien. Dort trafen sie auf die Nachfahren der vor 171 Jahren zwangsausgesiedelten Böhlener, die noch den Dialekt der einstigen Heimat sprechen. Diese waren überrascht, dass es auf Welt noch andere Menschen gibt, die ihren Dialekt sprechen. Lange und Schneider schildern Ramelow wie sie mit ihrem Besuch den „Kaffeepflückern“ durch die Berichte aus der Heimat gleichsam ihre Identität wiedergaben. Lange zitiert einen Gesprächspartner in Brasilien, der die beiden Böhlener mit den Worten verabschiedete: „Ihr wisst gar nicht, wieviele Menschen Ihr jetzt glücklich gemacht habt.“ 2019 reisen Lange und Schneider zusammen mit dem Berliner Filmemacher Gerald Backhaus per Schiff erneut nach Brasilien. Dabei entstand die Dokumentation „Bei den Kaffeepflückern in Brasilien“ von Gerald Backhaus, die im Oktober 2020 in Arnstadt uraufgeführt wurde. Am 5. April ist der Film in Gotha zu sehen (Weitere Infos auf der Webseite von Gerald Backhaus). Im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten ging es auch um die Perspektiven dieser besonderen Beziehung Böhlens zu Brasilien. Man war sich einig, dass ob der großen Distanz, elektronische Medien dabei eine wichtige Rolle spielen werde.